Wenn ich in den vergangenen Jahren immer mal wieder in Werkstatt war und nach dem Zustand der Stoßdämpfer gefragt habe, hat es immer mit einem mehr oder weniger sanften Druck auf die Kofferraumkante geheißen: alles i.O.! Die sind Top… Die müssen nicht getauscht werden…

So, so…, soweit so gut! Oder eben nicht! Nun ist der w124 ja wirklich keine Rennsemmel mit exzellenter und brettharter Kurvenlage, sondern eher etwas zu gleiten. Neuhochdeutsch: cruisen! Andrerseits ist er schon recht gutmütig was zügige Kurvendurchfahrten angeht. Aber was macht man, wenn es doch mal zügiger über die Landstraße gehen soll? Sich vorher ein anderes Fahrzeug zu legen? Das möchte man (natürlich ich) nicht! Man vertraut auf seine fahrerischen Qualitäten und tritt etwas beherzter zu… Herrlich!
Ist ja auf die Dauer auch nervig, wenn man stets als Hindernis wahrgenommen wird. Das ist dann immer so der Zeitpunkt, an dem ich wünschte nicht ganz so groß zu sein! Ich würde mir einen Hut zu legen um das Klischee des völlig entrückten Mittachtzigers im kaum zu überbietenden Freizeitstress am Steuer eines übermotorisierten Sternenschubsers zu sein.
Wie lange dieses Gefühl anhält? Eben bis zur nächsten Kurve! Dann geht hinter dir der Arsch hoch. Spätestens jetzt kommt einem die letzte Aussage aus der Werkstatt wieder in Sinn: alles i.O! Die Stoßdämpfer sind Top!
Und schon geht diese Grübelei los! Kurvenlange – Rennsemmel – gleiten – zügig – Stoßdämpfer tauschen – mitleidiges Gesicht des Meisters weiterhin ertragen…

Der Brustton, der Überzeugung

Nun bin ich ja dazu übergangenen die Wartung des Wagens selbst auszuführen. Zum einen weil es mir richtig Spaß macht und ich kann dann auch für mich sagen, das ist gemacht! Da fehlt nichts und der vielfach beschriebene Wartungsstau existiert nicht!
Wer nun glaubt, das hat auch einen finanziellen Anreiz, der sei gewarnt! Ersatzteile und der Aufenthalt in der Mietwerkstatt werden mir nicht geschenkt und ich habe für mich den Anspruch entweder Originalteile zu verarbeiten oder zumindest identische Qualität. Klar kann man die eine oder andere Mark sparen, wenn man anstatt das Originalteil bei MB, das identische Originalteil direkt beim Hersteller oder über dessen Vertriebskanäle kauft.
Ist halt im Einzelfall auch zeitaufwendiger! Teilenummern vergleichen, Auswahl treffen, Versandkosten und Preise vergleichen. Aktionen jagen und zuschlagen, hoffen das die E-Teile bald kommen und nicht in irgendwelchen dunklen Ecken verschwinden.
Da ist es schon deutlich entspannter sich bei der nächstgelegenen MB-Niederlassung auf den Stuhl zu setzen, der freundliche Mitarbeiter auf der anderen Seite hört einem zu! Der tippt Nummern ein, grübelt ein wenig, tippt wieder und schließlich erscheint ein Lächeln auf seinem Gesicht. Nur um im Brustton der Überzeugung zu verkünden: hab ich…

Die Marke und der Karton

Kurz und gut, ich habe beim Händler meines Vertrauens neue Stoßdämpfer der Marke Bilstein in einer verstärkten Version bestellt. Als das Paket dann kam, dachte ich zuerst, was’n Kack, die haben mir die Dämpfer für vorne geschickt! Nach dem Öffnen des Artikelkarton war dann aber ganz schnell klar, hier spart der Hersteller offensichtlich an unterschiedlichen Kartonagen für seine Produkte und bildet lediglich die Dämpfer für vorne ab.
Beiliegend gab es dann noch neue Gummi’s für die obere Befestigung am Radkasten, erreichbar über den Kofferraum, samt selbstsichernder Mutter und eine neue Schraube mit Beilagscheiben und Mutter für das Auge der Stoßdämpfer. Sprich die Befestigung im Achsschenkel.

Montage

Für die Montage der Stoßdämpfer hatte ich mir dann einen Zeitrahmen von ca 2 Stunden eingeräumt, entsprechend war die Geschichte in der Mietwerkstatt angelegt. Gleichzeitig hatte ich noch vor den Wagen wieder auf seine Winterreifen zustellen.
Dienstag morgen ging es dann auch direkt los. Am Tag zuvor hatte ich noch die Winterreifen mit Reifendruck und Beschädigungen aus dem vergangenen Jahr überprüft.
Da mir die Stoßdämpfer im ersten Augenschein etwas kurz erschienen habe ich in der Mietwerkstatt mit einem Zollstab und entleertem Kofferraum die Höhe der Karosserie fotografiert. D.h. Zollstab an den hinteren Reifen angelehnt und die Position des oberen Radausschnitt ermittelt, das waren in meinem Fall 68,5 cm. Für alle denen das doch relativ hochbeinig vorkommt sei hier kurz gesagt: der Wagen hat kein Sportfahrwerk verbaut und ist auch nicht tiefer gelegt!

Kurzer Schnitt: einen Tag nach der Montage und einer ersten Probefahrt habe ich dies dann in meiner Tiefgarage wieder überprüft. Exakt das gleiche Ergebnis, beidseitig! Die Überprüfung der Spur durch einen Reifendienst hat ebenfalls keine Auffälligkeiten ergeben. Beide Räder stehen nach Vorgabe (Vorschrift) auf der Straße. Bevor jetzt jemand anfängt zu gackern: äh, du hast ja nichts verändert! Was soll das! Ist ja lediglich der Dämpfer getauscht worden! Es spricht ja insgesamt nichts dagegen das man die Dinge als Laie selbst ausführt aber zur eigenen Sicherheit und auch für andere Verkehrsteilnehmer gehört es meiner Meinung dazu, einer Fachwerkstatt eine Überprüfung zu überlassen.

Zurück zum Thema: zuerst muss man eine Kunststoffabdeckung am Achsschenkel abnehmen, diese ist mit 2 Schrauben nach oben am Schenkel gesichert. Danach kann man die Abdeckung einfach vorsichtig ausclipsen. Vorsicht damit die Ösen der Abdeckung nicht ab- bzw aufbrechen! Danach kann man die Schrauben der unteren Befestigung vom Stoßdämpfer am Achsschenkel lösen. Dann das Auto oder die Bühne wieder ablassen, den Kofferraum öffnen und beide seitlichen Verkleidungen entweder nach vorne klappe oder ganz rausnehmen. 
Hinter den Verkleidungen kommen die oberen Enden der Dämpfer durch den Radkasten ins innere des Fahrzeug und sind dort verschraubt. Verschraubung komplett lösen und dann das Fahrzeug wieder anheben. Im Anschluss sollte die Möglichkeit bestehen den oberen Teil des Dämpfers einzufahren und somit aus Radkasten herauszunehmen. Wenn es zu streng geht kann man Werkzeug als Hebel benutzen um den Dämpfer einzufahren. Beim Einsatz von Werkzeug sollte man jedoch vorsichtig agieren damit man die Schutzschicht im inneren Radkasten nicht verletzt und damit Wasser den Zugang zum Blech erleichtert.

Vor dem Einbau der neuen Dämpfer müssen die erst ’aufgepumpt’ werden. Soll heißen, direkt vor dem Einbau drückt man den Kolben des Stoßdämpfer 3 – 5 komplett ein und läßt ihn wieder ausfahren. Direkt im Anschluss soll er eingebaut werden.
Der Einbau erfolgt dann in umgekehrter Reihenfolge. Aus einem Handbuch für die Wartung eines W124 habe ich den Hinweis, das das Verschrauben des Kolben oben im Radkasten unter Belastung der Hinterachse erfolgen soll. Also unten am Dämpfer die Schrauben ins Auge lediglich einsetzen und mit einer Mutter soweit sichern, das sie der Dämpfer nicht mehr aus der Position am Achsschenkel lösen kann. Danach die Verschraubung oben vornehmen. Die mitgelieferten Gummi’s nach Vorschrift einsetzen, Abschlussplatte drauf und festzurren. Hier gibt es keine Angabe oder Vorgabe für das Drehmoment. Im Gegensatz zu unten. Hier heißt es in Handbuch: 65 nm!

Abdeckung für die Schenkel wieder drauf, verschrauben und fertig…!

Bei einer anschließenden Probefahrt sollte weder etwas knarzen noch sich ungewöhnlich bewegen!

Für alle die bis hierher durchgehalten haben um sich den Testbericht durchzulesen, sei hier ein Dankeschön sicher!

Das Testgelände

Ich hab natürlich kein eigenes Testgelände! Aber mehrere Teststrecken praktisch vor der Haustür. Hier in Nürnberg kreuzen sich einfach gleich ein paar der wichtigsten Autobahnen. Für meinen Test habe ich die Strecke Nürnberg – Würzburg – Offenbach und wieder zurück gewählt. Von Nürnberg nach Würzburg lediglich mit 2 Personen und leichtem Gepäck und ab Würzburg bis Offenbach mit 4 erwachsenen Personen und leichtem Gepäck beladen.

Verkehr und Geschwindigkeit

Wer diese Strecke, also die A3, kennt, weiss das man hier wirklich alles erleben kann. Angefangen von zügigem Vorankommen bis beinahe Hochgeschwindigkeit und Picknick-ähnlichen Verhältnissen. Für unseren/meinen Test habe ich einen Samstag-Vormittag ausgewählt. Guter Plan…

Straßenlage oder Spurrillenhüpfen

Wer kennt das nicht, man wechselt auf der Autobahn die Spur und man hat kurz das Gefühl das man aus der Spur geradezu raus hüpft nur um nebenan die Bodenbleche abschleifen zu wollen. Nichts davon ist passiert! Kein Aufschaukeln, kein unangenehmes Gefühl beim Spurwechsel und erst recht kein Eintauchen in der nächsten Spur. Darüber hinaus fühlte sich der Wagen insgesamt etwas verwundungssteifer an. Daraus resultiert zumindest für mein Empfinden ein deutlich verbesserter Kontakt zur Straße. Keine Spur von schwammigen Gefühlen von den hinteren Rädern, lediglich den spürbaren Drang nach vorne und das über die gesamte Geschwindigkeitsrange des Wagen. Deswegen wird er trotz allem keine Rennsemmel! Aber bereits auf diesem ersten Teil der Strecke, Nürnberg – Würzburg, wird klar diese Investition hat sich gelohnt! Also, wenn man hier von einer Investition sprechen möchte!
Etwas besonderes sind Kurven die sich nach außen neigen, bislang habe ich hier immer gut spüren können wie der Wagen nach außen drängt. Klar macht er das jetzt immer noch, gerade bei höheren Geschwindigkeiten aber es fühlt sich jetzt deutlich sicherer und damit beherrschbarer an!
Insgesamt hat sich die Straßenlage, der Kontakt des Reifen zum Untergrund und damit die Rückmeldung des Fahrwerk an den Fahrer deutlich verbessert.

4 Personen…

…im Wagen haben mich in der Vergangenheit doch zu einer deutlich gemäßigteren Fahrweise gezwungen. Einfach auch deswegen, weil es mir selbst unangenehm ist, wenn man man brachial an die Tür gedrückt wird oder die Fliehkräfte dafür sorgen, das man etwas unkontrolliert nach Halt sucht.
Diesmal war das alles anders. Selbst die Kurvenreiche Streckenführung durch den Spessart und die anschließende Talfahrt nach Aschaffenburg ließ sich ganz entspannt bei relativ hoher Geschwindigkeit bewältigen. Die kurvenbedingten Lastwechsel und Bodenwellen führten nicht zu einem unangenehmen Aufschaukeln der Karosserie. Damit war im ganzen Wagen eine deutlich entspanntere Gesamtsituation spürbar.

Über die gesamte Strecke habe ich kein unangenehmes Wippen des Wagens verspüren können. Das gilt sowohl für die 2er Besetzung als auch für die 4 Personen im Wagen.

Fazit

Aus meiner Sicht ein absolut empfehlenswertes Produkt von Bilstein! Hier erhält man für den Preis viel Leistung. Ob man nun eine richtige oder passende Produktabbildung auf dem Karton hat überlasse ich mal dem Unternehmen. Schön wäre es allemal. Solange sich jedoch hinter dieser Abbildung ein für mein Empfinden hochwertiges Produkt verbirgt soll es mir recht sein.

Abschließend möchte ich kurz darauf hinweisen, das dieser Bericht ein einzelnes Produkt bewertet und es nicht mit anderen Produkten vergleicht.